In meiner Käfiganlage gibt es keine Rampen. Die Einrichtung besteht unter anderem aus mehreren Unterständen, die ca. 18 cm hoch sind - eine Höhe, die Meerschweinchen normalerweise gut mit einem Sprung überwinden können. Über diese "Holzbrücken" geht es auch in andere Gehegeteile bzw. in das Zimmer zum Freilauf.
Neuzugänge in der Gruppe lernen das immer sehr schnell und meine Schweinchen sind alle trainierte Springer. Allerdings kann es bei älteren Tieren ein Problem werden. Leider ist es mir bis jetzt dann nie gelungen, diese Tiere noch an Rampen zu gewöhnen. Im Gegenteil haben die Rampen oft Anlass zu sehr seltsamen Sprungversuchen der anderen Gruppenmitglieder gegeben, weshalb ich sie aus Sicherheitsgründen immer schnell wieder entfernt habe.
Nachdem sich Cassy seit ein paar Wochen mit dem Springen schon recht schwer tut, habe ich lange überlegt, wie ich dieses Problem lösen könnte. Und ich habe mir dann im Endeffekt eine Inspiration aus dem Bekanntenkreis geholt. Durch eine Umgestaltung der Käfiganlage wurde die Grundfläche erweitert und ich besorgte mir Steine etwa in Ziegelgröße, die ich als Stufen vor die Holzbretter legte.
Damit war die notwendige Sprunghöhe soweit reduziert, dass Cassy den Sprung gut bewältigen kann. Doch wie sag ich's meinem Schweinchen?
Als ich die Steine erstmals in die Käfige legte, wurde sie argwöhnisch untersucht, genauer benagt und dann als harmlos, aber uninteressant abgespeichert. Nachdem ich schon mehr als einmal Tiere in der Gruppe hatte, die ziemliche kleine Bruchpiloten waren und auch durchaus schon einmal einen oder mehrere Schneidezähne eingebüßt hatten, weil irgendein Missgeschick passiert war, stehe ich Steinen im Gehege ja an sich eher skeptisch gegenüber. Aber sie haben den Vorteil, dass sie definitiv nicht verschoben werden können und leicht zu reinigen sind.
Ich habe die Steine am Käfigrand positioniert, um die Gefahr, dass sich jemand an ihnen verletzt, möglichst gering zu halten. Damit waren sie aber natürlich nicht an der Stelle, an der Cassy normalerweise ihre Sprungversuche unternimmt.
Ich versuchte Cassy daher zunächst zu zeigen, dass es für sie viel einfacher war, vom Stein aus zu springen als von der Einstreu aus. Dazu setzte ich sie mehrmals auf den Stein, wenn ich den Eindruck hatte, dass sie gerade wieder einmal versuchte, auf die erhöhte Ebene zu gelangen. Von dort aus sprang sie dann immer mühlos aufs Brett. Aber ich war dennoch etwas skeptisch, ob sie lernen würde, sich von allein auf den Stein zu setzen, da es doch eine gewisse Änderung des Ablauf ihres üblichen Bewegungsmusters voraussetzte. Und Cassy ist mit ihren 4,5 Jahren nicht mehr in einem Alter, in dem Meerschweinchen normalerweise schnell und problemlos Neues lernen.
Mein kleiner Einstein hat mich aber eines Besseren belehrt! :-)
Innerhalb von zwei Wochen hatte Cassy gelernt, dass ihr die Steine den Weg auf die Ebenen erleichtern. Sie steigt zunächst so auf den Stein, dass sie der Länge nach auf ihm sitzt, und springt dann von dort weg. Das hat zunächst vor allem in dem Käfigteil gut funktioniert, in dem ich mich bemüht hatte, ihr zu zeigen, was es mit diesem seltsamen Stein auf sich hat. Aber innerhalb von ein paar Tagen hat sie es auch mit den beiden anderen Steinen gelernt - und dass obwohl der Stein zum Freilauf aus Sicherheitsgründen im Vergleich zu den anderen um 90 Grad gedreht liegt und daher ein etwas anderes Bewegungsmuster erfordert.
Was sagen die anderen in der Gruppe zu den Steinen?
Gar nichts - nach dem ersten Beschnuppern und Benagen werden sie komplett ignoriert. Ich konnte noch nicht beobachten, dass jemand von ihnen auch nur eine Pfote auf einen Stein gesetzt hat. Besonders Quinny setzt es sich öfter mal zum Ziel, über den Stein zu springen, ohne ihn zu berühren.
Nachdem Meerschweinchen aber sehr viel voneinander lernen, hoffe ich schon, dass sie sich Cassys Verhalten am Stein insofern abschauen, dass sie die Technik nachmachen, sollte das Springen der vollen Höhe doch einmal zu beschwerlich werden.
Im Moment braucht diese Hilfestellung nur Cassy und ich bin unheimlich stolz auf mein dickes, weißes Schwein. :-)
Gurkentiger - Geschichten aus dem Alltag mit Meerschweinchen