Chelsea kam am 1. Mai 2015 zu uns, kurz nach Sugars Tod, um
Sugars Partnerböckchen Nicky Gesellschaft zu leisten. Sie war damals etwa 3
Monate alt, ein entzückendes Kleinschweinchen – und furchtbar schnell! Wenn sie
beim Freilauf durchs Zimmer flitzte, saß Nicky nur da und schaute ihr verwirrt
zu. Er war scheinbar fassungslos, dass ein Meerschweinchen so schnell laufen
kann – und begann erst wieder gemeinsam mit ihr zu laufen, als sie nicht mehr
soooo schnell unterwegs war.
Die ersten Wochen des Zusammenlebens waren vollkommen
komplikationslos und es machte viel Freude, Chelsea zu beobachten.
Dann kam die erste Hitzewelle des Sommers im Juni,
gefolgt von einer Phase mit sehr kühlem, ungemütlichem Wetter. In dieser Zeit
verbrachte Chelsea fast die gesamte Zeit in einem Kuschelnest. Das war
einigermaßen verwunderlich. Sie fraß aber brav und nahm auch weiterhin zu,
sodass ich mich zwar wunderte und sie genauer beobachtete, aber noch nicht wirklich
beunruhigt war.
Das ändert sich abrupt am Abend des 21. Junis – natürlich
ein Sonntag!
Ich kam am späten Nachmittag mit einer Portion Löwenzahn aus dem Garten nach Hause. Alle Schweinchen stürzten sich auf das beliebte Futter. So auch Nicky – aber Chelsea lag unter einer Ebene und schlief. Wenn meine Seniorin Ginger in der anderen Gruppe eine Futterverteilung verschlafen hat, hat mich das zwar auch nicht begeistert (aber es kam auch kaum vor, denn wenn Ginger Futter witterte, war sie normalerweise sofort (!) wach), aber bei einem Schweinchen von gerade einmal ein paar Monaten???
Ich kam am späten Nachmittag mit einer Portion Löwenzahn aus dem Garten nach Hause. Alle Schweinchen stürzten sich auf das beliebte Futter. So auch Nicky – aber Chelsea lag unter einer Ebene und schlief. Wenn meine Seniorin Ginger in der anderen Gruppe eine Futterverteilung verschlafen hat, hat mich das zwar auch nicht begeistert (aber es kam auch kaum vor, denn wenn Ginger Futter witterte, war sie normalerweise sofort (!) wach), aber bei einem Schweinchen von gerade einmal ein paar Monaten???
Als Chelsea dann endlich wach war, fraß sie aber brav, wenn
auch etwas langsam. Was in Gesellschaft von Nicky immer ein Problem ist, denn
Nicky ist ein Futterstaubsauger in Meerschweinchengestalt. Und natürlich ist
ihm sein eigener Bauch immer am nächsten – typisch Meerschwein halt.
Als es dann wenig später den Rest der Abendfütterung gab,
zeigte sich das wahre Ausmaß der Tragödie. Chelsea hatte zwar Interesse an
Futter und fraß an sich auch brav, aber sie konnte keinen gerade Schritt tun,
sondern torkelte nur unkoordiniert durch den Käfig. Ich holte sie also gleich
einmal zu mir auf den Schoß und fütterte sie dort weiter. Das Futter nahm sie
bereitwillig und es schien ihr auch angenehm zu sein, dass ich sie relativ fest
hielt und so ihren Körper stützte. Was ich dabei auch bemerkte, war, dass ihre
Augen zuckten. Und da gingen meine Alarmglocken erst recht los, denn diese Symptomen erinnerten mich sehr an die Symptome eines an Encephalitozoonose (kurz EC) erkrankten Kaninchens. Außerdem hielt Chelsea den Kopf schief, was ebenfalls ein
Symptom von EC sein kann.
Es folgte ein hektisches Telefonieren. Zu welchem Tierarzt
konnte man am Sonntag Abend mit einem Meerschweinchen, das möglicherweise
schwer krank war. Nachdem einige Tierärzte mit Bereitschaft nicht erreichbar
waren (eine rief mich zurück, aber da war ich dann schon unterwegs), fuhr ich
zur „Notaufnahme“ der Veterinärmedizinischen Universität.
Nach einer gewissen Wartezeit kam ich zu einer jungen, sehr
netten Tierärztin, die aber offensichtlich nicht sehr viel Erfahrung mit
Meerschweinchen hatte. Sie beruhigte mich zunächst und meinte, dass sie eine
Infektion mit Ohrmilben vermutete. Nachdem die Symptome aber auch bei einer EC
auftreten konnten, auch wenn es bei Meerschweinchen eher ungewöhnlich war, gab sie
uns sicherheitshalber Panacur mit. Mit den Medikamenten beladen, kehrte ich
einigermaßen beruhigt nach Hause zurück.
Zunächst schien die Behandlung gut anzuschlagen. Chelsea war weiterhin gut bei Appetit, zeigt zwar noch die
Kopfschiefhaltung, mal mehr, mal weniger, aber das Augenzittern hörte nach etwa
zwei Tagen Behandlung komplett auf. Sie nahm auch weiter kontinuierlich zu, wie
es sich für ein Schweinchen in ihrem Alter gehörte.
Doch dann wurde die Kopfschiefhaltung leider wieder stärker
und sie hatte zusätzlich einen Schnupfen mit deutlichem Nasenausfluss. Also
doch wieder zum Tierarzt. Diesmal wurden Chelseas Ohren einer ganz genauen
Prüfung und Säuberung unterzogen – keine Spur von Ohrmilben. Dann wurde Chelsea
Blut abgenommen, eine besondere Herausforderung für die Tierärztin bei einem
Schweinchen von Chelseas Größe (und das Zuschauen dabei auch für uns). Chelsea
bekam ein Vitamin B-Präparat und gegen den Schnupfen ein Antibiotikum verschrieben.
Wir sollten zur Sicherheit weiter mit Panacur behandeln, bis das Ergebnis des
Bluttests da war.
Das Ergebnis kam Mitte Juli. Der Antikörpernachweis auf den
Erreger Encepahlitozoon cuniculi war in Chelseas Blut
positiv. Das Ergebnis war für mich schon ein Schock, auch wenn die Ungewissheit
jetzt endlich ein Ende hatte.
Das Antibiotikum schlug insofern an, als der Schnupfen
deutlich besser wurde. Leider hatte es aber auch gravierende Nebenwirkungen,
vielleicht verstärkt durch die neuerliche Hitzewelle. Es war jeden Tag eine
Zitterpartie, ob und wie viel Chelsea fressen würde. An einem Sonntag Nachmittag
fand ich sie in totaler Seitenlage mit halb geschlossenen Augen und weggestreckten
Hinterbeinen im Käfig. Als sie auf das erste Ansprechen so gar nicht reagierte,
dachte ich schon: „Das war’s jetzt!“.
Leider war sie insgesamt so kraftlos, dass sie nicht mehr aus dem Käfig springen konnte. Nachdem sie den Freilauf aber über alles liebt, habe ich sie am Abend immer herausgesetzt und sie auch versucht dazu zu animieren, ein bisschen zu laufen. In der Zeit waren die Koordinationsstörungen zeitweise wieder recht heftig, aber zum Glück ging es dann langsam bergauf.
Leider war sie insgesamt so kraftlos, dass sie nicht mehr aus dem Käfig springen konnte. Nachdem sie den Freilauf aber über alles liebt, habe ich sie am Abend immer herausgesetzt und sie auch versucht dazu zu animieren, ein bisschen zu laufen. In der Zeit waren die Koordinationsstörungen zeitweise wieder recht heftig, aber zum Glück ging es dann langsam bergauf.
Das Ende der Hitzewelle und das Ende der
Antibiotika-Therapie brachten eine gewisse Erleichterung. Leider hat Chelsea in
der Zeit massiv Gewicht verloren, aber der Appetit normalisierte sich langsam
wieder etwas. Und die Freude war riesig, als sie wieder von selbst in den
Freilauf kommen konnte. Wir hatten dann auch den ersten Behandlungszyklus mit
Panacur abgeschlossen und es gab das erste Mal seit fünf Wochen keine
Medikamente mehr.
Die Freude hielt allerdings nicht lange an, denn Chelsea,
deren Verdauung vor der Erkrankung immer tip top gewesen war, bekam plötzlich
starken Durchfall. Zum Glück sprach meine Behandlung nach zwei Tagen des
Zitterns dann doch sehr gut an. Chelsea war jetzt eindeutig auf dem Weg der
Besserung, war wieder viel lebhafter, begann auch wieder, schneller im Zimmer
zu laufen. Die nächste Hitzewelle, die ich so gefürchtet hatte, schien ihr
diesmal gar nicht zuzusetzen.
Doch damit war der letzte Schrecken des Sommers
2015 noch nicht überstanden. Es war wieder einmal ein Sonntag Abend (ich habe
langsam schon eine Sonntag-Abend-Phobie entwickelt), als ich bei der
Abendfütterung eine Veränderung an Chelseas Auge entdeckte. Es war eine dunkle
Schwellung am unteren Augenrand. Außerdem hatte sie einen deutlichen trüben
Fleck auf der Hornhaut. Mir blieb wieder einmal das Herz stehen. Was macht man
mit einem Schweinchen mit Hornhautverletzung an einem Sonntag Abend? Noch dazu
mit einem Schweinchen, das ohnehin unter gewissen Störungen der Koordination
und einer Kopfschiefhaltung leidet? Wartet man bis Montag oder unternimmt man
gleich etwas?
Der Weg führte uns wieder in die „Notaufnahme“ der Veterinärmedizinischen
Universität. Das war einer der letzten Tage der längsten Hitzewelle dieses
Sommers – und in der „Notaufnahme“ war der Teufel los. Einige Hunde wurden
stationär aufgenommen, zumindest einem konnte leider nicht mehr geholfen
werden. Nach drei Stunden Wartezeit war ich schon ganz kurz davor, mit Chelsea
wieder nach Hause zu fahren und mein Glück doch am Montag bei einem anderen
Tierarzt zu versuchen, als wir endlich an die Reihe kamen. Wieder eine junge
bemühte Tierärztin, die aber nicht so recht schlau wurde, was sie da an
Chelseas Auge tatsächlich sah. Also schnappte sie sich Chelsea und das
Untersuchungsgerät und holte die Meinung ihrer erfahreneren Kollegin ein, die
ebenfalls Dienst hatte.
Und sie kehrte mit einer recht dramatischen Diagnose zurück: Chelsea hatte einen Hornhautriss quer über das Auge und einen Vorfall der Iris. Es gab nur zwei Optionen, entweder das Auge gleich entfernen lassen oder einen Eingriff probieren, der bei Hunden und Katzen zwar mit gutem Erfolg angewendet wird, bei Meerschweinchen aber noch nie versucht wurde, weil bis jetzt noch kein Schweinchen so rechtzeitig an die Klinik kam, dass der Eingriff noch durchgeführt werden konnte. Der Augenchirurg, der an dem Abend nicht einmal Rufbereitschaft hatte, hatte sich bereit erklärt, sein Glück an Chelseas Auge zu versuchen und sie noch in dieser Nacht zu operieren. Natürlich gab ich mein Einverständnis und fuhr nach Hause – in der Hoffnung, dass Chelsea die Operation gut hinter sich bringen würde.
Und sie kehrte mit einer recht dramatischen Diagnose zurück: Chelsea hatte einen Hornhautriss quer über das Auge und einen Vorfall der Iris. Es gab nur zwei Optionen, entweder das Auge gleich entfernen lassen oder einen Eingriff probieren, der bei Hunden und Katzen zwar mit gutem Erfolg angewendet wird, bei Meerschweinchen aber noch nie versucht wurde, weil bis jetzt noch kein Schweinchen so rechtzeitig an die Klinik kam, dass der Eingriff noch durchgeführt werden konnte. Der Augenchirurg, der an dem Abend nicht einmal Rufbereitschaft hatte, hatte sich bereit erklärt, sein Glück an Chelseas Auge zu versuchen und sie noch in dieser Nacht zu operieren. Natürlich gab ich mein Einverständnis und fuhr nach Hause – in der Hoffnung, dass Chelsea die Operation gut hinter sich bringen würde.
Gegen 2 Uhr morgens – kurz nachdem ich endlich eingeschlafen
war, sodass ich das Handy zwar läuten hörte, aber nicht rechtzeitig genug wach
war, um den Anruf entgegen zu nehmen - hörte ich die gute Nachrichten auf der Mailbox, dass Chelsea die OP gut
überstanden hatte und der Eingriff zufriedenstellend verlaufen war. Ich durfte
die kleine Maus am nächsten Tag um die Mittagszeit wieder abholen. Wir bekamen
antibiotische Augentropfen, die sie vier Mal am Tag bekommen sollte (eine
Herausforderung für jeden, der berufstätig ist, aber wir haben es irgendwie
geschafft), zusätzlich Atropin-Tropfen einmal am Tag, ein Antibiotikum (diesmal
zum Glück Baytril) und natürlich Schmerzmittel.
Ob die OP auf Dauer den gewünschten Erfolg bringen würde,
würden erst die nächsten Tage zeigen. Chelsea sollte sich möglichst wenig
kratzen (leichter gesagt als getan) und durfte keinen Kontakt zu anderen Tieren
haben – musste also von Nicky getrennt gehalten werden. Die folgenden 10 Tage
waren für alle Beteiligten eine Belastungsprobe.
Aber irgendwie gingen sie vorüber. Nachdem Chelsea in der Zeit
der dauernden Behandlungen wieder eine sehr starke Kopfschiefhaltung
entwickelte, begann ich zusätzlich noch eine weitere Behandlungsrunde mit
Panacur.
Die ersten Tage kratzte sich Chelsea noch relativ wenig,
aber irgendwann war dann die Naht, mit der das Auge zum Schutz halb zugenäht
war, doch aufgekratzt. Das hatte aber auch den Vorteil, dass ich mich beim
Eintropfen des Auges jetzt etwas leichter tat. Für mich als Laien machte das
Augen einen guten Eindruck, trotzdem fieberte ich der Kontrolluntersuchung
entgegen.
Sie waren sehr zufrieden. Chelsea wurde von allen Seiten
bestaunt und der Heilungsfortschritt gelobt. Chelsea war somit das erste
Meerschweinchen, bei dem dieser Eingriff mit Erfolg durchgeführt werden konnte.
Sie durfte jetzt auch wieder zu Nicky, was beide sehr freute
… und bei uns kehrte langsam wieder ein bisschen Normalität ein. Chelsea zeigte zu dieser Zeit eine fast ganz normale Kopfhaltung. Ihr Verhalten
normalisierte sich langsam wieder. Sie war zwar noch immer eine heikle
Fresserin, nahm aber dann auch wieder etwas Gewicht zu.
Und wie ging es weiter?
Chelsea steht unter laufender Beobachtung. Immer wenn sie
ein bisschen anders dreinschaut als am Vortag oder weniger brav frisst,
schaltet meine Aufmerksamkeit auf Alarmstufe.
Zum Glück hat sich Chelseas Verdauung im Laufe der Monate wieder ganz normalisiert. Nachdem EC durch Stress verstärkt werden kann, bemühe
ich mich bei ihrer Haltung, Stress möglichst zu vermeiden.
Es gibt bessere Tage und es gibt weniger gute Tage, aber
unterm Strich ist sie wieder ein ganz normales Meerschweinchen-Weibchen, das zwar schon viel mitgemacht hat, aber hoffentlich noch viel
Zeit vor sich hat, um das Leben auch zu genießen. Sie hat im Laufe des Winters auch schon sehr brav zugenommen, sodass sie um ihren 1. Geburtstag herum 1 kg auf die Waage brachte.